Mehr Sein als Haben

Eine Blindführübung zu immateriellen Zufriedenheitsquellen

Inspiriert von dem Konzept der psychischen Ressourcen für Postwachstumsgesellschaften des Umweltpsychologen Prof. Dr. Marcel Hunecke beschäftigen sich die TN mit immateriellen Zufriedenheitsquellen. In einer Blindführübung erfahren die TN Achtsamkeit, Genussfähigkeit und Solidarität und reflektieren anschließend, inwiefern diese zur individuellen Lebenszufriedenheit und zu Postwachstums-Lebensstilen beitragen können.

Arbeitsmaterial zum Download:
+ Hintergrundtext für Anleitende

Vorbereitung
Vorab sollte ein ruhiger, angenehmer Ort (idealerweise ein Wald, Park, Garten oder eine größere Grünfläche) in der Nähe gesucht werden. Die Anleitenden können den Hintergrundtext zu Marcel Huneckes Konzept der psychischen Ressourcen lesen.

Durchführung
Draußen am gewählten Ort bilden die TN Paare und einigen sich, wer von beiden zuerst führen und wer zuerst blind sein möchte, also die Augen schließt. Die führende Person bietet der blinden Person ihren Handrücken an, auf den die blinde Person eine Hand legt, über die sie geführt wird. Die führenden Personen werden darauf hingewiesen, dass sie nun verantwortlich für die Sicherheit ihrer blinden Person sind. Sie sollen auf Stolperquellen oder herunterhängende Äste u. Ä. achten und davor warnen. Darüber hinaus darf während der Übung nicht gesprochen werden.
Die blinde Person kann jederzeit ihre Augen öffnen, wenn sie sich zu unsicher fühlt.
Die führende Person hat nun die Aufgabe, die blinde Person herumzuführen. Dabei kann sie 1. die blinde Person an eine Stelle führen, wo es etwas besonderes zu sehen gibt, und ihr dort auf die Schulter tippen. Auf dieses Signal hin öffnet die blinde Person die Augen und schaut. Dabei versucht sie, das zu Sehende so zu sehen, als würde sie so etwas zum ersten Mal sehen. Sie versucht, wertfrei Formen, Farben, Textur etc. wahrzunehmen. Wenn die führende Person der blinden Person nach einer Weile wieder auf die Schulter tippt, schließt die blinde Person die Augen wieder. Die führende Person kann die blinde Person weiter führen.
Als eine weitere Möglichkeit kann die führende Person 2. die Hand der blinden Person an einen Gegenstand heranführen. Die blinde Person lässt dann die Augen geschlossen und ertastet mit den Händen die ihr angebotene Stelle. Auch hier versucht sie, die Beschaffenheit des Gegenstandes wahrzunehmen, so wie sie ist, ohne sie erraten zu müssen. Wenn die blinde Person das Ertasten beendet, kann die führende Person eine Hand wieder aufnehmen und mit ihr weitergehen. Beide Möglichkeiten (zu sehen und zu tasten) können mehrfach an unterschiedlichen Stellen wiederholt werden.
Die Anleitenden weisen noch darauf hin, dass sie nach ca. 10-15 Minuten ein Signal geben werden, auf das hin die blinde und die führende Person ihre Rollen miteinander tauschen.
Nach der Erklärung kann das Blindführen beginnen. Nach dem Signal zum Rollenwechsel erhalten die Paare noch einmal die gleiche Zeit wie für die erste Runde. Danach wird die Gruppe für eine Auswertung zusammengerufen. Die Auswertung kann je nach Wetter draußen vor Ort oder drinnen im Raum durchgeführt werden.

Auswertung
Mögliche Impulsfragen sind:
> Was habt ihr erlebt?
> Was steckt in der Übung, das euch auch in eurem Leben begegnet?
> Was hat diese Übung mit dem Thema „mehr Sein als Haben“ zu tun?
> Könnt ihr in der Übung etwas entdecken, das zu einer hohen Lebenszufriedenheit beitragen kann, wenn man es im eigenen Leben anwenden würde?
Die Anleitenden können ergänzend das Konzept von Hunecke vorstellen. Entweder, sie geben den TN den Hintergrundtext zu lesen oder stellen die Inhalte des Textes auf einem Flipchart visualisiert vor. Abschließend kann mit den TN besprochen werden:
> Glaubt ihr, dass diese psychischen Ressourcen zu mehr Lebenszufriedenheit jenseits von materiellem Konsum beitragen können?
> Seht ihr in eurem Leben Möglichkeiten, diese Zufriedenheitsquellen stärker auszubauen?
> In welchen gesellschaftlichen Handlungsfeldern (Schule, Hochschule, Unternehmen, Vereine, Gemeinwesen etc.) könnten diese Zufriedenheitsquellen auf welche Art und Weise gefördert werden?