Wie wollen wir arbeiten?

World Café zu Arbeitskonzepten

Die Methode eignet sich als Einstieg in das Thema Arbeit aus wachstumskritischer Perspektive. Die Teilnehmenden setzen sich in rotierenden Kleingruppen mit verschiedenen Fragen rund um das Thema Arbeit in unserer Wirtschaft auseinander. Sie untersuchen, wie ein starker Wachstumsfokus sich auf unser Arbeitsleben und unseren Arbeitsbegriff auswirkt. Es werden erste Gedanken dazu angestoßen, welches Potenzial Arbeitszeitverkürzung und bedingungsloses Grundeinkommen in einer Gesellschaft ohne Wachstumsfokus haben könnten.

Vorbereitung

Der Raum wird als Café hergerichtet: 4 (Café-)Tische werden im Raum verteilt, sodass je eine Kleingruppen daran sitzen kann. Auf die Tische wird je ein Flipchartbogen als Tischdecke gelegt, auf dem je eine der vier Fragen steht. Auf dem Papier schreiben die Kleingruppen später ihre Gedanken nieder.

Um die Café-Atmosphäre zu verstärken, können Getränke oder Kekse auf den Tischen bereitgestellt werden.

Einführung:

Wir sind es gewohnt, einen engen Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätzen zu sehen. Auf Wahlplakaten werden uns „Jobs, Jobs, Jobs“ versprochen, wenn wir es nur schaffen, unsere Wirtschaft in Schwung zu halten, immer mehr zu produzieren und zu konsumieren. Welche „Jobs“ werden aber geschaffen und wie verändern sich Arbeitsbedingungen, wenn es in erster Linie um Wachstum geht? Und ist es überhaupt möglich und erstrebenswert, immer weiter auf Wachstum zu setzen (vgl. Kapitel 1 und 2)?

Langfristig führt Wirtschaftswachstum auch nicht unbedingt zu mehr Arbeitsplätzen. Eine Wirtschaft, die auf immer mehr Wachstum fokussiert, baut Arbeitsplätze sogar tendenziell ab, weil durch immer bessere Arbeitsorganisation und technischen Fortschritt die Arbeitsproduktivität steigt. D. h. es wird in einer Firma zum Beispiel immer weniger Arbeitszeit gebraucht, um einen Tisch herzustellen. Wenn keine Arbeitsplätze verloren gehen sollen, müsste diese Firma also immer mehr Tische produzieren. Da stoßen wir an weitere Grenzen: Denn die Tische müssen ja auch gekauft werden und der Bedarf an Tischen ist irgendwann vielleicht gedeckt oder wächst zumindest nicht mehr so stark an.

Im „Großen“ bedeutet das, dass wir eine Lösung finden müssen, wie wir in Zukunft dafür sorgen können, dass alle finanziell versorgt sind und sich sinnvoll einbringen können – jenseits des Modells einer 40-Stunden-Arbeitsstelle für alle, die sowieso immer weniger umsetzbar und sinnvoll wird. Wie könnten wir denn Arbeit organisieren, wenn es uns in erster Linie darum geht, finanzielle Absicherung und „gute“ Arbeitsplätze zu haben? Und was zählt dabei die „Arbeit“, für die wir in unserem heutigen System kein Geld bekommen?

Durchführung

1. Die Gruppe wird in vier Kleingruppen geteilt. Die Kleingruppen sitzen jeweils 10 bis 15 Minuten an einem Tisch, diskutieren die jeweilige Frage und halten ihre zentralen Gedanken dazu schriftlich auf dem Tischpapier fest. Dabei ist wichtig, dass es pro Tisch eine_n Gastgeber_in gibt, die/der den gesamten Verlauf über an diesem Tisch bleibt, um den neuen Kleingruppen zu Beginn jeder Runde kurz vorzustellen, was die vorherigen Gruppen diskutiert haben. Die Gastgeberin oder der Gastgeber zeigt kurz auf, wo es Übereinstimmungen und Gegensätze zwischen den bisherigen „Besuchsgruppen“ am Tisch gab. Diese Person wird vor Beginn der ersten Runde in jeder Kleingruppe ausgewählt.

Den vier Tischen werden folgende Themen zugeordnet:

  • Wachstumsfokus und Arbeitsbedingungen (Tisch 1):Oft wird das Argument angeführt: „Wir brauchen Wirtschaftswachstum, um Arbeitsplätze zu schaffen“. Dementsprechend werden Arbeitsbedingungen verändert, um ein Wachstum der Wirtschaft zu unterstützen. Welche Auswirkungen kann es auf die Arbeitsbedingungen (Arbeitszeit, -belastung, Flexibilität, Lohn, Umgang mit Erwerbsarbeitslosen etc.) haben, wenn für eine Volkswirtschaft in erster Linie ihr Wachstum und damit der Profit von Unternehmen im Mittelpunkt steht? Welche Beispiele kennt ihr aus eurem Umfeld?
  • Arbeitsbegriff (Tisch 2):Welche Tätigkeiten werden in unserer heutigen Gesellschaft eigentlich als „Arbeit“ gewertet, bezahlt und in der Rente berücksichtigt, welche nicht? Welche Art von „Arbeit“ wird besonders hoch/gering geschätzt? Welche Tätigkeiten sollten eurer Meinung nach wie wertgeschätzt werden?
  • Grundeinkommen (Tisch 3):Was würdest du tun, wenn du monatlich einen bestimmten garantierten Betrag von der Gesellschaft erhieltest und du nicht mehr arbeiten müsstest, um deine Grundbedürfnisse nach Nahrung, Kleidung und einem Dach über dem Kopf zu befriedigen? Womit würdest du deine Zeit verbringen wollen? Würdest du noch „arbeiten“ gehen?
  • Arbeitszeitverkürzung (Tisch 4):Wie sieht für dich die ideale Einteilung deiner Zeit aus? Wie viel Zeit möchtest du für welche Lebensbereiche aufwenden? Wie viel Zeit möchtest du idealerweise mit Erwerbsarbeit verbringen?

2. Nach Ablauf der 10 bis 15 Minuten bleibt das Papier auf dem Tisch liegen und die Gruppen wechseln die Tische. Am neuen Tisch arbeiten sie an dem weiter, was die vorherige Gruppe bereits aufgeschrieben hat. Nach vier Runden hat sich jede Gruppe einmal mit jedem Thema beschäftigt.

Auswertung

Nachdem alle Kleingruppen alle Themen bearbeitet haben, stellen die TN, die an den Tischen geblieben sind, der Großgruppe kurz vor, was die wesentlichsten Meinungen und Kontroversen zu ihrer jeweiligen Frage waren.

Die TN können zu den Plakaten noch Rückfragen stellen und kontroverse Aspekte diskutieren.

Zusätzlich können die Teamer_innen unterstützende Auswertungsfragen stellen wie:

  • Zu Tisch 1:
    • Wer entscheidet eigentlich über Arbeitsbedingungen? Unternehmen/Arbeitgeber_innen, Staat, Gewerkschaften/Arbeitnehmer_innen?
    • Was sind für euch zentrale Aspekte bzw. Regelungen, die eine „gute Arbeit“/einen guten Arbeitsplatz ausmachen?
    • Wo stoßen diese Vorstellungen mit einem Fokus auf möglichst hohes Wirtschaftswachstum aneinander?
  • Zu Tisch 2:
    • Wie erklärt ihr euch, dass in unserer Gesellschaft verschiedene Formen von Arbeit so unterschiedlich wertgeschätzt und bezahlt werden? Welche Rolle spielen Geschlechterrollen und andere Machtstrukturen?
    • Welche Ideen habt ihr, wie wir das verändern könnten?
    • Was macht für euch eine „wertvolle“ Arbeit aus?
  • Zu Tisch 3:
    • (Warum) würden einige/viele von euch noch arbeiten gehen, auch wenn sie es aus rein finanziellen Gründen nicht mehr müssten? Welche Gründe gibt es neben dem finanziellen Einkommen dafür, dass wir einer Lohnarbeit/einem Beruf nachgehen?
    • Welche Auswirkungen könnte ein bedingungsloses Grundeinkommen auf bisher unbezahlte Tätigkeiten haben?
  • Zu Tisch 4:
    • Welche gesellschaftlichen Auswirkungen könnte eine Verkürzung der allgemeinen Lohnarbeitszeit haben?
    • Was müsste zusätzlich verändert werden, damit sich nicht nur die Gutverdienenden eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit „leisten“ können?

Varianten

Falls weniger Zeit zur Verfügung steht, kann jeder Tisch auch von nur einer Gruppe bearbeitet werden. Dann sollten 20 Minuten Zeit für eine Diskussion in den Kleingruppen und die Erstellung eines Plakats mit den wichtigsten Argumenten gegeben werden. Die Kleingruppen präsentieren im Anschluss ihre Gedanken und die einzelnen Plakate können kurz in der Großgruppe diskutiert werden (insgesamt ca. 50 Minuten).

Tipps für Teamer_innen

Knappe und gute Hintergrundinformationen zu den Themenbereichen sind z. B.

– Arbeitsbedingungen: DGB-Konzept und Umfragen: „Gute Arbeit“:

http://www.dgb-index-gute-arbeit.de/ (Zusammenfassung: http://www.zeit.de/karriere/beruf/2012-03/dgb-studie-gute-arbeit)

– Institut für Wachstumsstudien: Keine Arbeit durch Wachstum http://www.wachstumsstudien.de/Inhalt/Zeitschrift/Heft6/Keine_Arbeit_durch_Wachstum.pdf

– Die Internetseite der Kampagne Arbeitszeitverkürzung jetzt!

http://www.arbeitszeitverkuerzung-jetzt.de/perspektive/arbeit-fair-teilen.html

– Bedingungsloses Grundeinkommen:

https://www.grundeinkommen.de

http://www.grundeinkommen-attac.de/grundeinkommen, darauf z. B. Werner Rätz: Grundeinkommen gegen Wachstumszwang (2011)

Möglichkeiten zur Weiterarbeit

Es bietet sich an, mit der Methode „Die 20-Stunden-Woche“ (Kapitel 5) weiterzuarbeiten. Sie beschäftigt sich mit konkreten Vorstellungen alternativer Arbeitsmodelle in einer Postwachstumsgesellschaft.